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Hummel auf ihrem Draußen-Lieblingsplatz vor unserer Haustür |
Es ist selten so, dass ein Hund selbst den Zeitpunkt bestimmt, wann er seinen Menschen verlässt ...
Ich war unendlich traurig und hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich in Hummels letzten Minuten nicht bei ihr war und sie ihren letzten Weg ohne mich antreten "musste".
Natürlich war sie nicht ganz allein - Enya und unser Besuchshund Biene waren bei ihr - aber ICH war nicht da!
Soll Mensch nicht bis zum letzten Moment bei seinem Hund sein?!
Hätte ich vorhersehen können, dass es an diesem Morgen passieren würde?
Hätte ich sie vielleicht schon vorher erlösen lassen sollen, denn dann wäre es zu dieser Situation gar nicht gekommen?
Der Umgang mit dem schlechten Gewissen
Diese Fragen begleiten mich seit fünf Wochen ... ich glaube in meinen Träumen habe ich alle Was-wäre-wenns schon mindestens zehnmal durchgespielt. Dass ich nach einem dieser nächtlichen Ausflüge aufgewacht wäre und das Gefühl gehabt hätte, Hummel oder mir wäre es bei der gerade durchlebten Variante in irgendeiner Art und Weise besser gegangen, kann ich nicht behaupten .... also WARUM dann dieses Hinterfragen von Dingen, die sich sowieso nicht mehr ändern lassen?
Ich glaube wir Menschen sind so ... jedenfalls viele von uns. Wir müssen einfach alles hinterfragen, alles ge- und erklärt bekommen, damit wir mit uns und der zu klärenden Situation ins Reine kommen.
Natürlich kann man den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass alles wieder gut ist, wenn man ihn endlich wieder herauszieht.
Trauer ist im Anfangsstadium (Trauerphasen) ja nichts anderes: Fassungslosigkeit gepaart mit dem Wunsch sich irgendwo zu verkriechen und wenn man aus seinem Versteck wieder heraus kommt, ist alles wieder gut ... schön wär's!
Meine Erfahrung ist eher so, dass während mir der Sand noch aus den Haaren rieselt, die Erkenntnis, dass sich NICHTS verändert hat aus dem Himmel direkt auf meine Füße fällt, mich am Boden festnagelt, mir keine Fluchtmöglichkeit lässt ... UND JETZT?!
Bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit der Situation zu befassen und sie zu klären.
Hunde sind anders als Menschen
Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu ... aber sie trifft den Kern der Sache sehr gut und passt ohne Zweifel auch auf viele Situationen rund um das Ende des Lebens.
Viele Menschen, die eine Diagnose über eine schwere oder gar unheilbare Krankheit bekommen, ergeben sich nicht ihrem Schicksal, sondern wollen aus der ihnen verbleibenden Zeit noch ein Maximum herausholen - sei es, um der Krankheit ein Schnippchen zu schlagen und möglicherweise noch geheilt zu werden oder um noch möglichst viel von dem zu erleben, was sie in ihrem Leben noch geplant hatten.
Dabei spielen Erlebnisse in der Vergangenheit ebenso eine Rolle, wie die Gegenwart und vor allem die Zukunft.
Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment. (Buddha)
Buddhas Rat gilt natürlich uns Menschen, aber er bringt ganz gut auf den Punkt, was bei Hunden anders ist:
"Dein Hund lebt im Hier und Jetzt, das zwar auf seinen Erfahrungen aus der Vergangenheit fußt, aber überhaupt nicht auf die Zukunft ausgerichtet ist.
Er denkt nicht darüber nach, ob er morgen noch fröhlich mit seinen Hundekumpels über die Wiese springen kann oder seinen Lieblingsknochen bekommt."
Diese Erkenntnis stammt nicht von mir, sondern von einer befreundeten Tierärztin, die sie mir vor 11 Jahren mit auf den Weg gab, als ich vor der Entscheidung stand, meinen damals 15jährigen Jagdhundmix gehen zu lassen und sehr mit dieser Situation haderte, weil ich überlegte, ob und wie er noch ein lebenswertes Dasein in der Zukunft führen könnte.
"Für Deinen Hund ist wichtig, dass er jetzt gerade etwas Schönes erlebt, das sein Leben lebenswert macht!"
Wobei "schön" nun wieder auch bei jedem Hund anders interpretiert werden kann und muss - aber ich denke, der Grundgedanke ist klar.
Ein Hund, der eine lebensbedrohliche Krankheit hat, schreibt sich keine "Bucket List" - die Liste, der Dinge, die er unbedingt noch erleben will, bevor er diese Welt verlässt ... er merkt im Jetzt, ob er Schmerzen hat oder nicht, ob er spielen kann und will oder nicht und wie nahe er dem Tod ist oder nicht.
Sterbebegleitung
In vielen Fällen sind wir unseren Hunden einen Schritt voraus, was die Entscheidung aus dem Leben zu gehen betrifft.
Durch die diagnostischen Möglichkeiten der Tiermedizin wissen wir meistens, wann wir mit unserem HerzHund an dem Punkt angekommen sind, wo wir ihm Leid in Form von Schmerzen ersparen und ihn erlösen können.
Das ist Segen und Fluch zugleich...
Unserem geliebten Begleiter durch alle Hochs und Tiefs unseres Lebens diesen Dienst erweisen zu können ist ein Geschenk, das uns aber auch eine sehr große Verantwortung auferlegt und uns häufig in ein großes Gefühlschaos zwischen Nicht-loslassen-wollen und Leiden ersparen stürzt.
In dieser Situation hat mir das Wissen um das Leben meines Hundes im Hier und Jetzt vor 11 Jahren sehr geholfen, meine Entscheidung gegen sein vorhersagbares Leid, aber auch gegen mein "Geh nicht! Bleib bei mir!"-Gefühl zu treffen.
Das gehört auch zum Fluch: ICH treffe eine Entscheidung, nicht der Hund.
Ich konnte nur hoffen, dass ich den richtigen Moment getroffen habe - nicht zu früh, aber auch nicht zu spät.
Auch vor drei Monaten wurde mir von Tag zu Tag klarer, dass diese Entscheidung auf mich zu kommt.
Ich hatte Angst ... Hummel zu verlieren, aber auch zu lange an ihr festzuhalten und ihr Schmerzen zuzumuten.
Wir beide waren jeden Tag im stillen Zwiegespräch, wann wohl der Moment da sein würde und bis einen Tag vor ihrem Tod waren ihre Signale "Ich will noch nicht gehen! Vielleicht bin ich heute nicht so mobil, aber ich bin wach und in jeder Deiner Bewegungen bei Dir. Ich freue mich auf mein Futter und in meinen beweglichen Momenten möchte ich mit Dir spielen."
Am Abend vor ihrem letzten Weg, ging es ihr nicht wirklich gut, aber auch nicht besorgniserregend. Mein Plan war, am nächsten Tag nach der Arbeit mit ihr zu meiner Tierärztin zu fahren, um eine Entscheidung für oder gegen die OP zu fällen.
Der Krebs war schneller ... und Hummel muss es gewusst haben.
Rückblickend, in meinen Träumen und Gedanken immer wieder jede Bewegung von uns beiden, Enya und Biene am Vortag bis ins kleinste Detail analysierend, finde ich die kleinen Zeichen im Zwiegespräch der Hunde, die angezeigt haben "das etwas im Raum stand", die mir aber in der Situation selbst nicht den entscheidenden Hinweis gaben.
Als ich morgens zur Arbeit fuhr, war alles wie immer - Hummels Verhalten zeigte mit keiner Regung, dass sie mittags nicht mehr leben würde.
Mein Mann fuhr anderthalb Stunden später ... auch da alles wie jeden Morgen.
Hummels Geschenk an mich
Kurz danach muss sie in die Kudde gegangen sein, um dort für immer einzuschlafen, denn ihr Körper erzählte mir beim Nachhausekommen, dass sie schon eine Weile fort war.
Ihr Geschenk an mich ... mir die Verantwortung von den Schultern zu nehmen und das Leid sie beim Sterben zu begleiten, indem sie selbst entschied, nur im Beisein von Enya und Biene fortgehen zu wollen. Zuhause, an ihrem Lieblingsplatz ...
Manchmal passiert es eben doch, dass der Hund den Zeitpunkt bestimmt und nicht der Mensch.
Liebe Summsebrumm,
auch wenn es mir immer noch schwerfällt zu akzeptieren, dass Du mich auf Deinem letzten Weg nicht dabei haben wolltest,
auch wenn mich immer mal wieder das schlechte Gewissen plagt, ob ich vielleicht doch zu lange gewartet habe,
auch wenn mir jetzt beim Schreiben seit längerer Zeit wieder einmal die Tränen laufen,
tief im Herzen verstehe ich Dein Geschenk an mich und versuche es als solches anzunehmen!
Ich danke Dir dafür!
Natürlich ist dies ein Geschenk der ganz besonderen Art.
Viele Hunde (auch Hummel!) beschenken uns schon zu Lebzeiten...Welches Geschenk hat Dein HerzHund Dir schon gemacht?
Schicke mir Eure Geschenk-Geschichte - gern auch mit Foto/s an herzhund@love.ms und ich werde sie hier veröffentlichen.
Woran man sich erinnert, kann nicht mehr verloren gehen!
Deine Denise